4.10 Magnetodynamik
© M.Zollner 2002
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Außer in der Saite kann es auch im Magnet und/oder in saitennahen Ferromagnetika zu Hys-
tereseverlusten kommen. Auch wenn diese Verluste nun nicht mehr in der Saite entstehen:
Die zum Ummagnetisieren dieser Ferromagnetika erforderliche Energie muss trotzdem von
der schwingenden Saite geliefert werden. Das von relevanten Wechselflüssen betroffene
Magnetvolumen ist beim typischen Singlecoil gut eine Zehnerpotenz größer als das eben
betrachtete Saitenvolumen, dafür ist aber die relative Flussdichteänderung im Magnet um ca.
eine Zehnerpotenz kleiner als bei der Saite; alles in allem also wiederum ein Effekt von unter-
geordneter Bedeutung. Solange nicht ein starker Magnet sehr nahe an die Saite herangebracht
wird (was sowieso im Widerspruch zu einer großen Saiten-Auslenkung stünde), lautet die
Zusammenfassung: Hystereseverluste sind vernachlässigbar
. Diese Aussage ist zwar
spekulativ, wird aber durch Messungen gestützt, die zweifelsfrei ergaben, dass die Saiten-
schwingung durch die Greifhand des Gitarristen stärker bedämpft wird als durch das Magnet-
feld des Tonabnehmers (Kap. 4.11).
Als zweite Verlustursache treten
Wirbelstromverluste
auf. Das in Kap. 4.10.1 erläuterte In-
duktionsgesetz sorgt nicht nur in der Tonabnehmerwicklung, sondern in allen tonabnehmer-
nahen elektrischen Leitern für Spannungserzeugung und Stromfluss. Und da Metalle resistive
elektrische Widerstände darstellen, entsteht elektrische Wirkenergie, also Wärmeenergie, die
das Magnetfeld, und damit die Saitenschwingung, schwächt. Die den Wirbelstrom verursa-
chende elektrische Spannung ist von der
Änderung
des Magnetfeldes abhängig, deshalb spie-
len Wirbelströme bei niederen Frequenzen keine Rolle. Mit zunehmender Frequenz gewinnen
sie an Bedeutung, wobei aber der
Skineffekt
als gegenläufiger Effekt berücksichtigt werden
muss (Kap. 5.9.2.2): Das durch Stromfluss induzierte magnetische Gegenfeld drängt mit stei-
gender Frequenz den elektrischen Strom zunehmend in die Randbereiche, wodurch der Wir-
belstrom-Widerstand vergrößert wird (Kap. 3.3.2).
Wirbelstromverluste sind nicht generell vernachlässigbar, sondern verschlechtern die Höhen-
wiedergabe jedes Magnettonabnehmers. Und nicht nur geringfügig, sondern u.U. um 5 dB
und mehr, wenn dicke, niederohmige Bleche verwendet werden. Man könnte dieses Verhalten
als vom Entwickler gewünschte Klangcharakteristik interpretieren, sollte dann aber bedenken,
dass sich allzu dominante Höhen sehr leicht mit einem zum Tonabnehmer parallel geschal-
teten Potentiometer abschwächen lassen – umgekehrt geht's nicht! Ein wirbelstromarmer
Pickup kann sowohl brillant, als auch dumpf klingen – ein wirbelstrombedämpfter Pickup
klingt nur dumpf
♣
. Wenig Wirbelstromverluste weisen Tonabnehmer auf, deren einzige Me-
tallteile die 6 Alnico-Magnete sind (Typ USA-Stratocaster). Weicheisenstifte mit darunter
liegendem Balkenmagnet erhöhen die Wirbelstromverluste, Blechkappen ebenso. Wenn ein
Abschirmgehäuse gewünscht wird, aber möglichst wenig Wirbelstromverluste auftreten
sollen, sind dünnwandige Neusilbergehäuse empfehlenswert. Ein Tonabnehmer, der trotz Me-
tallgehäuse brillant klingt, ist z.B. der Gretsch-Humbucker.
Nicht nur in Magnet, Polstücken und Abschirmgehäusen treten Wirbelströme auf, sondern
u.U. auch in metallenen Trägerplatten oder Abschirmfolien. Beim Austausch eines Plastik-
Schlagbrettes (Pickguard) gegen ein solches aus Aluminium kommt es deshalb zu einem
leichten Höhenverlust. Der sich fast völlig vermeiden lässt, wenn man mit einem dünnen
Schlitz die ringförmig fließenden Wirbelströme unterdrückt.
♣
Die im Gitarrenverstärker eingebauten Klangfilter können Wirbelstromverluste i.a. nicht kompensieren.