10.4 Phasenumkehrstufe
© M. Zollner 2007
10-65
10.4.2 Kathodyn-Schaltung (Split-Load)
Die Kathodyn-Schaltung nutzt die Gegenphasigkeit der Kathoden- und Anoden-Wechselspan-
nung. Nimmt man leistungslose Steuerung an, so entspricht der Kathodenstrom dem Anoden-
strom, und somit sind für gleich großen Kathoden- und Anodenwiderstand die daran abfallen-
den Wechselspannungen exakt betragsgleich – unabhängig von den Röhrendaten. Bücher
über Schaltungstechnik erklären die Funktion der Kathodyn-Schaltung gerne damit, dass der
Anodenwiderstand in zwei "exakt" gleiche Hälften aufzuteilen sei, die dann den neuen
Anodenwiderstand bzw. den Kathodenwiderstand ergeben. Vermutlich führte diese
Erläuterung dazu, dass bei frühen Gitarrenverstärkern in der Kathodyn-Stufe enger tolerierte
Widerstände zum Einsatz kamen: Beim Ampeg B-42-X liest man beispielsweise:
all resistors
10%
, aber neben den 47-k
Ω
-Kathodyn-Widerständen und den darauf folgenden 100-k
Ω
-
Lastwiderständen steht:
5%
. Und es gab sogar Verstärker, die 2% Widerstands-Toleranz
forderten.
R
R
R
k
R
g
K
k
k
A
v
R
R
v
v
-
≈
+
-
=
/
1
3
)
(
2
1
1
+
≈
⋅
⋅
+
+
+
+
=
-
S
R
R
R
R
R
R
v
i
k
k
i
K
R
R
R
R
k
g
E
/
/
3
+
≈
;
R
R
iA
≈
;
+
+
≈
1
i
iK
R
R
R
Abb. 10.4.5:
Kathodyn-Schaltung. Fender-typische Signal-Auskopplung direkt an der Kathode.
In
Abb. 10.4.5
ist eine für Gitarrenverstärker typische Kathodyn-Schaltung dargestellt. Die
beiden Arbeitswiderstände (
R
) sind beim Fender-Verstärker in der Regel 56 k
Ω
,
R
k
= 1.5 k
Ω
,
der Gitter-Ableitwiderstand ist 1 M
Ω
. Mehrere Fender-Verstärker erhielten 1955 diese Schal-
tung (Deluxe, Super, Pro, Bassman, Twin), allerdings nur für ca. 2 Jahre – dann kam der Dif-
ferenzverstärker (mehr hierzu in Kap. 10.4.3). Bei der in Abb. 10.4.5 dargestellten Schaltung
ist der Gitter-Ableitwiderstand
R
g
nicht gegen Masse, sondern gegen den aufgeteilten Katho-
denwiderstand geschaltet. Durch diese Gegenkopplung wird der
Eingangswiderstand
R
E
we-
sentlich vergrößert, im Beispiel auf ca. 18 M
Ω
. Ob dies dem Fender-Entwickler bewusst war,
ist fraglich: Der zum Gitter führende Koppel-Kondensator beträgt nämlich 20 nF, wie bei
1-M
Ω
-Eingängen üblich. Nun liegt der 1-M
Ω
-Widerstand aber nicht an Masse, sondern an
einer fast gleichgroßen kohärenten Wechselspannung, und dadurch erhöht sich der effektive
Eingangswiderstand (Bootstrap). Mit 20 nF und 18 M
Ω
erhält man eine
Hochpass
-Grenz-
frequenz von 0.4 Hz – für Gitarrenverstärker sehr speziell. Der Gibson GA-19-RVT koppelt
bei seiner Kathodyn-Stufe hingegen mit 500pF – ob die mehr wussten?
Die
Spannungsverstärkung
vom Gitter zur Kathode ist ungefähr 1 – 3/
, mit = Leerlauf-
verstärkung der Röhre. Bei der ECC 83 ergibt sich in guter Näherung
v
K
=0.97. Fendertypisch
ist die Anoden-Wechselspannung betragsmäßig geringfügig kleiner, ca.
v
A
= –0.945. Die
Innenwiderstände
der beiden Ausgänge sind hingegen sehr unterschiedlich: An der Anode in
guter Näherung 56 k
Ω
(Stromgegenkopplung bei der Kathode), an der Kathode aber nur ca.
1.2 k
Ω
(Kathoden-Folger). Dies ist einer der Unterschiede zur Paraphase-Schaltung. Man
spricht bei Verstärkerröhren ja gerne von
leistungsloser Steuerung
, und da wären Unterschie-
de in den Innenwiderständen belanglos. Sobald aber in den Endröhren Gitterströme fließen,
beginnen sich Anoden- und Kathodenspannung der Kathodyn-Stufe zu unterscheiden.